Der Begriff Genetik besitzt schon fast etwas Mythisches.
Er wird in Zusammenhang mit Bodybuilding häufig zitiert. Doch was bedeutet er und wie entscheidend ist eine “gute Genetik“ wirklich?
Dieser Frage wollen wir nun auf den Grund gehen. Um den Einfluss der Genetik auf unser Muskelaufbaupotential und damit auf unser Aussehen und unsere Kraft sowie Ausdauer genauer beurteilen zu können, müssen wir diesen Begriff näher definieren.
Die Gene
Wie der Name schon verrät, dreht sich alles um die Gene. Die DNA ist Träger unserer Erbinformation und ist damit für die Art unseres Daseins verantwortlich. Sie enthält Informationen zur Herstellung der Ribonukleinsäuren (RNS bzw. im englischen Sprachgebrauch RNA). Die wichtigste Gruppe der RNA, die sogenannte mRNA liefert die Informationen für den Bau der körpereigenen Proteine. Sie ist damit verantwortlich für die biologische Entwicklung der Lebewesen und liefert die Grundlagen für den Stoffwechsel sowie den Bau einer Zelle.
In der DNA sind alle unsere Eigenschaften festgelegt. Beispielsweise unsere Augenfarbe, aber auch die Art der Muskelentwicklung.
Die Muskulatur
So bestimmt die DNA die Verteilung unserer Muskelfasern. Besitzen wir aus genetischer Sicht einen hohen Anteil an FT-Fasern, also jenen schnell zuckenden Muskelfasern, haben wir entscheidende Vorteile in Sachen Muskelaufbaupotential.
Weiter definiert unsere Genetik die Anzahl der Muskelfasern bzw. Zellen. In Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass einige Menschen bis 3x mehr Muskelfasern in bestimmten Muskeln aufweisen wie andere.
Was dies in der Praxis bedeutet, kann sich jeder vorstellen: Mit einer dreifachen Anzahl an Muskelfasern besitzt jener genetisch bevorteilte Mensch dreimal so viele Muskelfasern die hypertrophieren können und demnach ihren Muskelquerschnitt vergrössern können.
Hier liegt wohl einer der Hauptgründe warum einige Menschen so viel mehr Muskelmasse besitzen wie andere: Sie haben einfach mehr Muskelfasern.
Die Körpertypen
Ein weiteres Indiz ist die Klassifizierung der Menschen anhand ihres Körperbaus. Man unterscheidet zwischen Ektomorph, Endomorph und Mesomorph. Der Mesomorph entspricht jenem Typus eines Menschen mit breitschultrigem Aussehen und sichtbar ausgeprägter Muskulatur. Ein eindeutiges Indiz für eine genetische Prädestination für schnellen und ausgeprägten Muskelaufbau.
Myostatin
In der Genforschung konnte man bis heute sehr viele Gene typisieren und einer bestimmten Funktion zuordnen. So weiss man heute, dass das sogenannte Myostatin-Gen dafür verantwortlich ist das Muskelwachstum zu begrenzen. Man geht von einer wesentlichen Bedeutung des Myostatin-Gens in der Muskelentwicklung aus.
Experimente an Tieren und eine spezielle Rasse von Rindern zeigen eine übernatürliche Entwicklung der Muskulatur durch Manipulation bzw. Inaktivität dieses Gens.
Im Falle einer schwachen Aktivität von Myostatin oder gänzlichem Ausbleiben, scheint dem Muskelwachstum keine Grenzen gesetzt zu sein.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass beim Menschen dieses Gen unterschiedlich ausgeprägt und bei den erfolgreichsten Bodybuildern wohl weniger stark aktiv ist und ihnen demnach einen grossen Vorteil in Sachen Muskelwachstum ermöglicht.
Die Hormone
Einen entscheidenden Einfluss auf den Muskelaufbau besitzen natürlich die Hormone. Der Mensch besitzt eine Vielzahl an Hormonen im Körper, welche verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben.
Viele Hormone stehen auch in Abhängigkeit zu anderen Hormone, das heisst findet eine verstärkte Ausschüttung eines Hormons statt und der Körper fällt aus dem Gleichgewicht, dann reagiert er mit der verstärkten Produktion des Gegenspielers.
Einige Hormone nehmen direkten Einfluss auf den Muskelaufbau und die Fettverbrennung. Allen voran sei hier Testosteron aufgeführt, welches für eine erhöhte Stickstoffkonzentration im Muskel und folglich einer stärkeren Muskelproteinsynthese sorgt.
Weitere Hormone wie GH, DHT und Insulin sind ebenfalls entscheidend am Muskelaufbau beteiligt. Sie werden als sogenannte anabol wirkende Hormone beschrieben.
Andere Hormone wie Cortisol oder Schilddrüsenhormone gelten als sogenannte katabole Hormone.
In Abhängigkeit des natürlichen Aufkommens anabol wirkender Hormone, fällt auch das Muskelaufbaupotential aus. Wenn jemand aus genetischer Sicht ein höheres Aufkommen an Testosteron aufweist, besitzt er eine bessere Ausgangslage für Muskelaufbau.
Solche Menschen haben ein gutes Hormonprofil und sind demnach in einem weiteren Punkt genetisch bevorteilt.
Manipulation
Bevor wir auf das individuelle Potential zu sprechen kommen, wollen wir noch kurz die manipulativen Methoden zur Veränderung des genetischen Potentials ansprechen.
Die Zufuhr von anabolen Steroiden oder anderen anabol wirkenden Medikamenten erhöht natürlich das Potential für den Muskelaufbau. Sie besitzen aber eine grosse Gefahr für Nebenwirkungen und sollten daher gemieden werden.
Gerade in letzter Zeit kommen auch neue Medikamente auf dem Markt, die direkten Einfluss auf die Genetik nehmen und die Aktivität bestimmter Gene beeinflussen können. Sie gehören in die Klasse des Gendopings. Gerade die Manipulation des Myostastin-Gens liegt im Interesse einiger Leistungssportler.
Die Nebenwirkungen und die Langzeitfolgeschäden sind aber nicht abschätzbar. Daher sollten alle diese manipulativen Techniken gemieden werden.
Das individuelle Potential
“Hard work beats talent“ – Das stimmt natürlich bis zu einem gewissen Grad. Wenn wir aber zwei Menschen haben, die beide gleich hart trainieren und ihre Ernährung gleich diszipliniert einhalten, wird jener Mensch mit einem geringeren Myostatin-Aufkommen, besserem Hormonprofil, mehr Muskelfasern, also besserer Genetik immer die Nase vorn halten.
Nicht jeder kann alles erreichen. Sowas zu behaupten ist reine Utopie und sollte von keinem seriösen Coach so empfohlen werden.
Jeder kann aber sein persönliches Maximum erreichen und seinen eigenen Körper in grossartiger Weise verändern.
Im Spitzensport haben wir ohne ausserordentliche Genetik keine Chance! Wir dürfen uns hier keine Illusionen machen. Genetik geht hier über alles. Das ist nun einmal Fakt! Eine solche Aussage mag nicht besonders populär sein, aber sie ist ehrlich.
Nichtsdestotrotz kann jeder seinen Körper verändern, Muskeln aufbauen und Fett verlieren. Es kann nur nicht jeder Mensch in der gleichen Geschwindigkeit und in gleichem Ausmasse.
Wenn man sich seinem eigenen Potential bewusst ist, kann man sein individuelles genetisches Potential visualisieren und darauf hinarbeiten dieses zu erreichen.
Keep on pumping!