Natürlich sind wir nicht alle gleich. Wir alle haben unterschiedliche Charaktereigenschaften, sind unterschiedlich gross, unterschiedlich stark, einige sind handwerklich begabt, wiederum andere sind mathematisch begabt etc.
Wären wir alle gleich, würde die Welt in dieser Form gar nicht existieren. Im heutigen Blog wollen wir uns aber nicht mit den Unterschieden beschäftigen, sondern mit den Gemeinsamkeiten und zwar den stoffwechseltechnischen Gemeinsamkeiten.
Man hört immer wieder Aussagen, dass jemand besser auf Kohlenhydrate reagiert, jemand keine Früchte verträgt, wiederum andere allergisch auf gewisse Lebensmittel sind etc.
Das stimmt natürlich auch in einem gewissen Masse, trotzdem bleibt aber eine grosse Gemeinsamkeit: Biochemisch laufen die Prozesse in jedem Körper eines Menschen genau gleich ab.
Ich habe mir in diesem Blog einige für unseren Sport, durch Ernährung direkt beeinflussbare Systeme rausgesucht und mal näher angeschaut.
Es geht nicht darum den gesamten Stoffwechsel in einem Blog abzubilden, sondern die Hintergrundinformationen zu liefern, warum einige Vorgehensweisen in der Ernährung sinnvoller sind wie andere. Hier sei beispielsweise die Zufuhr bzw. der Verzicht auf Kohlenhydrate genannt.
Glucose-abhängige Systeme
Das Nervensystem, die Produktion der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und in weiten Teilen auch das Gehirn, ziehen ihre Energie aus Glucose, sprich Kohlenhydraten.
Mithilfe der Glykolyse kann der Körper beim Abbau der Glucose ATP (Adenosintriphosphat) gewinnen. ATP ist der universelle Energieträger in jeder Zelle.
Alle anaeroben Leistungen, wie Sprint oder auch Krafttraining finden mithilfe von Glucose, also Kohlenhydraten statt. Führen wir dem Körper keine Kohlenhydrate zu, sind die gleichen Leistungen im gleichen Umfang nicht möglich.
Dem Körper stehen zwar Ersatzmechanismen zur Verfügung, um im Falle einer mangelnden Kohlenhydratzufuhr Glucose zu gewinnen. Dieser Vorgang heisst Gluconeogenese und synthetisiert aus Protein eine beschränkte Menge Glucose. Diese Menge reicht aber gerademal aus um die Glucose-abhängigen Systeme mit Energie zu versorgen. Es bleibt aber nicht genug Glucose übrig, um darüber hinaus hochintensive Kraftleistungen zu erbringen.
Energiebereitstellung
Wie oben beschrieben, verfügt jeder Mensch über den Mechanismus der Glykolyse, mit welchem wir aus Kohlenhydraten ATP zur Versorgung unserer Zellen bereitstellen können. Ebenso der Gluconeogenese, die in Fällen einer Unterversorgung mit zugeführten Kohlenhydraten die Glucose aus Protein synthetisieren kann.
Jeder Mensch verfügt über den Fettstoffwechsel, mit welchem wir die Energie für längere aerobe Leistungen zur Verfügung stellen können.
Es gibt noch diverse weitere Stoffwechselvorgänge, die bei jedem Menschen gleich sind.
Wir sehen also, dass wir bei der Energiebereitstellung alle gleich sind. Bei jedem Menschen wird beispielsweise die Energie für das Nervensystem oder auch für anaerobe Leistungen über Glucose bereitgestellt. Hier gibt es kein “jeder Mensch ist anders“. Den einzigen Einwand im Allgemeinen, den man gelten lassen kann, ist jener das nicht bei jedem Menschen jeder dieser Vorgänge in gleichem Masse ausgebildet ist. So ist der Fettstoffwechsel bei einem Langstreckenläufer – vorausgesetzt die Ernährung ist entsprechend angepasst – viel besser ausgebildet als bei einem Kraftsportler oder einem Untrainierten.
Die Tatsache aber, dass gewisse Organe und Abläufe im Körper nur mit Kohlenhydraten funktionieren ist gegeben.
Daher gilt:
Jeder Mensch braucht Kohlenhydrate.
Ausnahmen bilden in gewissem Masse Erkrankungen (Diabetes mellitus Typ II).
Verdauung
Auch die Verdauung ist bei jedem Mensch die Gleiche. Es sind die gleichen Organe involviert und die gleichen Abbauprodukte entstehen. Wenn wir beispielsweise Reis essen, dann stehen unserem Körper Kohlenhydrate zur Verfügung.
Der einzige Unterschied ist die Verträglichkeit einiger Lebensmittel durch verringertes Enzymaufkommen oder in einigen Fällen aufgrund eines Fehlens eines Enzyms, was dann vielmals als Krankheit oder Allergie eingestuft wird (z.B. Laktoseintoleranz).
Aber grundsätzlich gilt bei jedem Menschen:
Aus einer kohlenhydrathaltigen Quelle gewinnen wir Kohlenhydrate, aus einer proteinhaltigen Quelle gewinnen wir Protein und aus einer fetthaltigen Quelle Fett oder wir können es aufgrund eines (genetischen) Enzymmangels nicht verdauen.
Organfunktionen
Jeder Mensch hat die gleichen Organe, welche die gleichen Funktionen erfüllen. Bei jedem Mensch ist die Leber zuständig für die Bereitstellung von Glucose zur Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels und damit der Versorgung diverser anderer Organe. Sie ist auch zur Verstoffwechselung der meisten Stoffe, wie beispielsweise Medikamente zuständig.
Enzyme
Ohne Enzyme kein Leben.
Enzyme katalysieren biochemische Reaktionen. Fast sämtliche biochemischen Vorgänge im Körper werden durch Enzyme gesteuert, sei es bei der Proteinbiosynthese oder der Verdauung.
Ich bin nicht anders
Wir sehen also, dass wir in weiten Teilen alle gleich sind. Auch wenn uns schon unsere Mutter gesagt hat, dass wir einzigartig auf dieser Welt sind, so sind wir trotzdem alle gleich. Wir sind einzigartig was unseren Charakter angeht, die universellen Gesetze des Stoffwechsels gelten aber bei jedem Menschen. Der einzige Unterschied liegt in der Ausprägung, wie beispielsweise der Stoffwechselgeschwindigkeit.
Es gibt keine Ausreden für einen Nichterfolg einer Diät oder ausbleibenden Muskelaufbaus nur weil wir anders sind und es bei uns deshalb nicht funktionieren soll.
Wenn wir die Gesetzmässigkeiten kennen, wissen wie diese zu beeinflussen, im Falle einer Erkrankung diese behandeln (z.B. Schilddrüsenunterfunktion), dann sind wir nicht anders, sondern können genauso unseren Körper verändern und erfolgreich sein.
Wenn euch also jemand sagt, ihr seid anders und deshalb funktioniere etwas nicht, dann hört nicht auf diese Person. Ein sehr häufiges Beispiel aus der Praxis ist der Unsinn, dass vielen Leuten eine ketogene Diät empfohlen wird, weil sie Kohlenhydrate nicht gut verarbeiten können. Das ist absoluter Blödsinn. Der Körper kann Kohlenhydrate sehr wohl verarbeiten, denn er braucht sie. Er hat nur die Fähigkeit verloren Kohlenhydrate richtig zu metabolisieren, weil sich beispielsweise eine Insulinresistenz gebildet hat.
In einem solchen Fall müssen wir dem Körper die Fähigkeit Kohlenhydrate optimal zu verwerten wieder zurückgeben. Hier muss die Kenntniss der richtigen Massnahme vorliegen. Leider wird in der Praxis durch Unwissen das Problem noch weiter verschlimmert und beispielsweise eine ketogene Diät empfohlen, die eine Insulinresistenz noch weiter fördert. [1]
Daher also:
Du bist nicht anders, wir sind alle gleich!
Funktioniert etwas bei uns nicht, dann müssen wir dem Körper die verlernte Fähigkeit wieder zurückgeben.
Quellen:
[1] Bischop et al (2001): Dietary fat content alters insulin-mediated glucose metabolism in healthy men. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11237931