Gerade in den letzten Jahren wurden Low-Carb oder sogar No-Carb Diäten immer populärer (Atkins Diät, ketogene Diät etc.). Während früher der Makronährstoff Fett verteufelt und als Grund vieler gesundheitlicher Probleme und Übergewicht betitelt wurde, sind heute die Kohlenhydrate die Sündenböcke.
Ich erkläre euch in diesem Blog, warum es unklug ist, gerade als Sportler im Fitnessbereich auf Kohlenhydrate zu verzichten.
Wozu braucht der Körper Kohlenhydrate?
Der menschliche Körper braucht Kohlenhydrate zur Aufrechterhaltung der Glucose-abhängigen Systeme, also jenen Körperfunktionen die ausschliesslich mit Kohlenhydraten als Energieträger funktionieren.
Das Nervensystem, die Nieren und die Produktion der roten Blutkörperchen sind von Glucose (Kohlenhydraten) als Energieträger abhängig. Ebenso das Hirn funktioniert grösstenteils über die Bereitstellung von Kohlenhydraten.
Was macht der Körper wenn ihm nicht ausreichend Kohlenhydrate zur Verfügung stehen?
Der Körper kann mithilfe der Gluconeogenese aus körpereigenem Protein Glucose synthetisieren. Insbesondere bei ungenügender Versorgung mit hochwertigem Protein führt dies aber zu einem Muskelabbau. Durch die Gluconeogenese kann er maximal 150-200g Glucose täglich zur Verfügung stellen und somit die Glucose-abhängigen Systeme mit Energie versorgen. Das heisst, die auf Kohlenhydrate angewiesenen Organe und Körperfunktionen wie Nervensystem, Nieren und Erythrocyten werden bei mangelnder Zufuhr von Kohlenhydraten durch die Synthese von Glucose mithilfe der Gluconeogenese mit Energie versorgt. Teilweise gilt das auch für das Hirn.
Hirn und Muskeln können aber auch durch sogenannte Ketokörper mit Energie versorgt werden. Diese werden im Falle von extremen Low Carb Diäten (<30g Kohlenhydrate täglich) in der Leber aus Fettsäuren gebildet. Dieser Vorgang nennt man Ketogenese.
Ketogenese im Detail
Aus D-β-Hydroxybutyrat kann mittels des Enzyms 3-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase Acetoacetat gewonnen werden. Die 3-Ketosäure-CoA-Transferase überträgt CoA auf Acetoacetat, während gleichzeitig Succinat freigesetzt wird. Letztendlich wird aus Acetoacetyl-CoA und CoA zweimal Acetyl-CoA gewonnen; die Katalyse dieser Reaktion besorgt die Acetyl-CoA-Acetyltransferase, ebenfalls die Umkehrung einer bei der Synthese stattfindenden Reaktion.
Diese Aktivierung der Ketokörper findet in der mitochondrialen Matrix aller Zellen statt (z.B. Muskulatur), die Ketokörper verarbeiten können, jedoch nicht in der Leber. Schliesslich fliesst das so gewonnene Acetyl-CoA in den Citratzyklus ein, wo daraus durch Oxidation Energie gewonnen wird.
Bei der Ketogenese handelt es sich aber um ein “Notsystem“ im Körper, welches aus evolutionären Gründen zur Sicherung des eigenen Überlebens von der Natur so eingerichtet wurde. Die Energieeffizienz der Ketokörper ist gering und die nachteiligen Auswirkungen auf die Hormone sind hoch.
Anaerobe Höchstleistungen wie Krafttraining können in Abwesenheit von Kohlenhydraten nicht vollbracht werden, da die Energieausbeute der Ketokörper dafür zu gering ist.
Auswirkungen auf den Stoffwechsel
Extreme Low-Carb Diäten, also der mehrheitliche Verzicht auf Kohlenhydrate bringt diverse negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel bzw. die darin involvierten Hormone mit sich. Als Folge davon verbrennt man immer weniger Kalorien und ruiniert den Stoffwechsel schlimmstenfalls komplett.
Schilddrüse
Bereits nach wenigen Tagen Low-Carb Diät sind die ersten Auswirkungen auf die Aktivität der Schilddrüsenhormone messbar. In der Schilddrüse werden die beiden Hormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (Tetraiodthyronin, T4) gebildet. Neben T4 und T3 gibt es noch weitere Iodothyronine (Schilddrüsenhormone), die aber schwächere und zum Teil antagonistische (gegenteilige) Wirkungen haben und hier keine weitere Bedeutung haben.
Das kurzlebige T3 ist wesentlich wirksamer als T4 und das biologisch aktive Hormon, während T4 mit seiner Halbwertszeit von 8 Tagen vor allem als ein Depot dient, welches das benötigte T3 bereitstellt. Das im Blut zirkulierende T3 stammt nur zu 20% aus der Schilddrüse, der weit grössere Anteil entsteht extrathyreoidal (im Zielgewebe, z.B. Muskulatur) durch Jodabspaltung von T4.
Die Typ 1-Dejodinase ( 5`-Dejodinase) katalysiert als wichtigstes Enzym die Umwandlung von T4 in T3 in Organen wie Schilddrüse, Leber und Niere, zusätzlich dazu existieren neben weiteren Dejodinasen auch noch andere Stoffwechselwege. T3 hat eine 10fach höhere Stoffwechselwirkung als T4. Nur die freien Hormone sind biologisch wirksam.
Zusammengefasst bedeutet dies nun, dass ein geringeres Aufkommen von freiem T3 im Blutplasma zu einem Rückgang des Stoffwechsels führt.
In unterschiedlichen Studien wurde festgestellt, dass bereits nach wenigen Tagen Low-Carb Ernährung die Konzentration von T3 deutlich vermindert war.
Im Klartext bedeutet das ein Herunterfahren des Stoffwechsels.
Cortisol
Cortisol oder auch Hydrocortison ist ein Hormon, das katabole (abbauende) Stoffwechselvorgänge aktiviert und so dem Körper energiereiche Verbindungen (z.B. Fettsäuren) zur Verfügung stellt.
Bei Cortisol handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite erhöht es die Lipolyse, schleust also Fettsäuren aus den Fettdepot aus und hilft so Fett zu verbrennen. Andererseits wirkt es katabol auf die Muskeln. In Abwesenheit von Kohlenhydraten ist Cortisol erhöht. Während Phasen erhöhter Fettverbrennung ist ein leicht erhöhter Cortisol-Spiegel erwünscht. Hingegen ist das durch Training induzierte stark erhöhte Cortisollevel unerwünscht. Durch die Einnahme von hochglykämischen Kohlenhydraten direkt nach dem Training kann der erhöhte Cortisol-Spiegel rasch wieder auf ein normales physiologisches Level gebracht werden. Bleibt die Gabe dieser Kohlenhydrate aus, befindet sich der Körper weiter in einem katabolen Zustand und die Regeneration der Muskeln wird massiv behindert.
Glykogensynthese
Die Glykogensynthese (also der Vorgang des Aufbaus von Glykogen) muss unmittelbar nach dem Training angeregt werden um das Leber- und Muskelglykogen wieder aufzufüllen. Die zugeführten Kohlenhydrate sorgen für eine rasche Regeneration und eine viel höhere Belastbarkeit des gesamten Körpers.
Empfehlung
Ich rate von extremen Low-Carb Diätformen entschieden ab. Eine Minimierung der Insulinausschüttung durch Reduktion der zugeführten Kohlenhydratmenge in einer Diät mit der Zielsetzung Fettverbrennung ist natürlich der richtige Weg. Gleichzeitig müssen dem Körper aber die notwendigen Kohlenhydrate bereitgestellt werden.
Die Lösung heisst: Carb-Timing, also die bedarfsgerechte Zufuhr der richtigen Menge Kohlenhydrate zum richtigen Zeitpunkt. So profitieren wir von der fettverbrennenden Wirkung der katabolen Hormone wie Cortisol und gleichzeitig von der anabolen (aufbauenden) Wirkung von Insulin. Der einzig richtige Zeitpunkt für die Zufuhr von Kohlenhydraten ist PWO, sprich nach dem Training. Hier wird der katabole Zustand durch das Insulin gestoppt, die Nährstoffzufuhr in die Muskeln ermöglicht und vor allem die geleerten Leberglykogen- und lokalen Muskelglykogenspeicher wieder aufgefüllt.
Streicht die Kohlenhydrate nicht vollständig aus eurer Ernährung, sondern führt sie bedarfsgerecht nach dem Training zu (Carb-Timing).